Wie ein Reha-Konzern gegen Gewerkschaft, Streikrecht und Tarifverträge vorgeht
von Daniel Behruzi
Brachial, gewerkschaftsfeindlich, undemokratisch. So lässt sich das Vorgehen der Median Kliniken – des größten privaten Betreibers von Reha-Einrichtungen in Deutschland – auf den Punkt bringen. Mit Methoden, die an die Fleischindustrie oder das Gastgewerbe erinnern geht der Konzern gegen gewerkschaftliche Organisierung vor. Das Management hat mit einem Federstrich sämtliche Tarifverträge gekündigt und erklärt, keine Vereinbarungen mit der ver.di mehr abzuschließen. Zugleich versucht die Median-Spitze, Streiks per Gerichtsbeschluss zu unterbinden.
Von Hedge Fonds filetiert: Rückmietverkauf
Woher der Wind bei Median weht, ist klar: aus Holland und den USA. Ende 2014 hat der niederländische Finanzinvestor Waterland den Reha-Betreiber für rund eine Milliarde Euro übernommen. Kurz danach holte sich der Hedge Fonds 770 Mio. € durch den Weiterverkauf der Klinik-Immobilien an den US-amerikanischen Gesundheits-Konzern Medical Properties Trust Inc. (MPT) zurück.
Die Median-Kliniken müssen nun ihre eigenen Immobilien von MPT in lang laufenden Verträgen extrem teuer zurück mieten (Sale-lease-back, Rückmietverkauf). Der Gesundheitsgigant aus Alabama, der auf großer Einkaufstour in Westeuropa ist, konnte laut Brancheninformationen zwischen 8% und 11% Rendite plus Inflationsausgleich vertraglich vereinbaren (refire-online.com, 10.11.2014). Mit einer ähnlichen Konstruktion strangulierte der ehemalige Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff zwischen 2004 und 2008 den KarstadtQuelle-Konzern (manager-magazin.de, 6.6.2009).
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Analysten zufolge hat Waterland bei Investitionen in der Vergangenheit Renditen von über 20 Prozent erzielt. Das dürfte hier ebenfalls das Ziel sein, auch wenn sich Waterland über Renditeerwartungen bei Median nicht äußert.
Gewinne mit Gesundheit
Das deutsche Gesundheitswesen ist durch die von verschiedenen Regierungskoalitionen betriebene »Liberalisierung« und Vermarktlichung zu einem profitablen Anlagefeld geworden. Krankenhäuser, Altenheime und eben auch Reha-Einrichtungen werden von privaten Betreibern übernommen. Naturgemäß steht bei ihnen nicht die optimale Gesundheitsversorgung im Mittelpunkt, sondern das Geld verdienen.
Erzielt werden die Gewinne – die letztlich aus den Sozialversicherungsbeiträgen aller Beschäftigten stammen – mittels Personalabbau, Outsourcing und Lohndumping.Während private Krankenhäuser laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 61.568 Euro pro Jahr für eine Vollzeitkraft ausgeben, müssen öffentliche Träger 64.574 Euro berappen.
Median treibt diese Strategie nun auf die Spitze. Begründet wird die flächendeckende Tarifflucht damit, man wolle »ein flexibles Lohnmodell, das zu uns als modernem Gesundheitsunternehmen weitaus besser passt, als ein Standard-Tarifmodell«. Statt »starrer Tarife« solle die Bezahlung die wirtschaftliche Situation der Kliniken berücksichtigen und »mehr Spielraum im Wettbewerb« geben. Soll heißen: Was die Beschäftigten bekommen, richtet sich nach Markt und Bedarf. Aushandeln wollen die Median-Manager dies mit den Betriebsräten – oder gleich mit einzelnen Beschäftigten.
Betriebsräte als Tarifbrecher?
Die meisten Betriebsräte haben diesem Ansinnen allerdings eine Absage erteilt. So heißt es beispielsweise in einer Resolution des Konzernbetriebsrats, mit der Tarifflucht gingen Transparenz und Rechtssicherheit verloren. Willkür und Eigenmächtigkeit würden zunehmen. »Die Leidtragenden werden alle Beschäftigten sein, die wegen komplizierter Verhandlungs- und Abstimmungsprozesse und in Ermangelung rechtmäßiger Druckmittel ohnmächtig auf akzeptable Ergebnisse warten müssen.«
Auch ver.di betont, dass Betriebsräte weder die Aufgabe noch die Möglichkeiten haben, Tarifverhandlungen zu führen. Die Gewerkschaft verweist auf einen Passus im Betriebsverfassungsgesetz (§ 77, Absatz 3), wonach Entgelte und andere Arbeitsbedingungen, die üblicherweise per Tarifvertrag geregelt werden, nicht Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein dürfen. »Und das ist auch gut so«, erklärt Matthias Lindner von der ver.di-Bundesverwaltung. »Betriebsräte sind dem Unternehmenswohl und dem Betriebsfrieden verpflichtet, sie dürfen nicht zu Streiks aufrufen. Unter diesen Voraussetzungen sind Verhandlungen nicht mehr als kollektives Betteln.«
Attacke aufs Streikrecht
Doch unter den Belegschaften regt sich Widerstand. Die Beschäftigten der Median-Klinik in Berlin-Kladow haben bereits drei Mal die Arbeit niedergelegt. Auch an einigen anderen Standorten hat ver.di zu Streiks aufgerufen oder plant dies in naher Zukunft. Die Reaktion der Konzernspitze: Einschüchterung, Gängelung, juristische Winkelzüge. »Streik? Ohne mich!« hieß es beispielsweise in einem Aushang des Unternehmens in Berlin-Kladow. Darauf das Bild eines hübschen jungen Mannes, der nach den Vorstellungen der PR-Agentur wohl einen Krankenpfleger darstellen soll.
Die Beschäftigten werden in den Flugblatt dazu aufgefordert, sich nicht am »Streik für ver.di« zu beteiligen. Denn: »ver.di interessiert sich nur für seine Mitglieder und fordert für diese Aufschläge.« Unerwähnt bleibt, dass Tarifverträge immer für Gewerkschaftsmitglieder gelten, in der Regel aber auf alle Beschäftigten angewandt werden. Und dass Arbeiter und Angestellte in tariflosen Betrieben ohne jeden Schutz dastehen. Wenn die individuelle Verhandlungsmacht nicht ausreicht, stellen gesetzliche Mindestlöhne und Höchstarbeitszeiten die untere Haltelinie dar.
Beiten Burkhardt: Streikbruch durch Desinformation und juristische Finten
Median belässt es allerdings nicht bei Propaganda und Fehlinformationen. Der Konzern setzt auch darauf, juristisch gegen angekündigte Streiks vorzugehen. Das Unternehmen habe binnen weniger Wochen bereits zum dritten Mal eine einstweilige Verfügung gegen Arbeitskampfmaßnahmen beantragt, berichtet ver.di-Sekretär Lindner. Die Begründung: Die Streiks bedeuteten eine »Gefährdung von Leib und Leben der Patienten«. Ohne Notdienstvereinbarungen seien sie daher unrechtmäßig. Für den Gewerkschafter ist das »ein ziemlich dreister Versuch, das Streikrecht einzuschränken«. Schließlich handele es sich in den meisten Fällen nicht um Akutkliniken, die im Rahmen der Landeskrankenhausplanung auch für die Notfallversorgung vorgesehen sind, sondern um Reha-Einrichtungen. »Es geht darum, Menschen zum Beispiel nach einer Rücken- oder Herz-OP wieder fit zu machen«, erklärt Lindner. »Die Behauptung, Streiks von Therapeuten und anderen Reha-Beschäftigten gefährdeten Menschenleben, entbehrt jeder Grundlage.«
Vertreten wird Median von der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt, deren 281 Anwälte weltweit »für börsennotierte Aktiengesellschaften, große mittelständische Unternehmen, multinationale Konzerne sowie für die öffentliche Hand und Stiftungen« tätig sind. »Median gibt enorme Summen dafür aus, Streiks zu verhindern und Tarifverträge zu beseitigen«, kritisiert Lindner. »Das Geld wäre besser angelegt, wenn damit ordentliche Löhne und gute Arbeitsbedingungen finanziert würden.«
Die Auseinandersetzung bei Median ist weit über das Unternehmen hinaus von Bedeutung. Gelingt es dem Konzern, Tarifverträge flächendeckend zu beseitigen, könnte das mindestens in der Reha-Branche Nachahmer auf den Plan rufen. Das »Union Busting« – die systematische und professionelle Bekämpfung von Gewerkschaften und aktiven Beschäftigten – würde weiter an Boden gewinnen. Der Widerstand dagegen verdient daher alle erdenkliche Solidarität.
Der Artikel erschien im September 2016 in der lesenswerten Zeitschrift Lunapark21 / Nr. 35.
Daniel Behruzi schreibt als freier Journalist unter anderem für verschiedene ver.di-Medien. Zuletzt erschienen: Wettbewerbspakte und linke Betriebsratsopposition – Fallstudien in der Automobilindustrie.
Die Median-Kliniken GmbH ist für den Aktionstag Schwarzer Freitag, 13. Januar 2017 nominiert. >> Zur Online-Abstimmung
Mehr Infos:
- Schwarzer Freitag 13.01.2017 – Nominierung Median-Kliniken, https://aktion.arbeitsunrecht.de/en/freitag13/Januar2017/median
- ver.di FB 03- https://gesundheit-soziales.verdi.de/geld-tarif/konzerne-tarifbereich/median